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Vor 175 Jahren wurde Wilhelm Conrad Röntgen geboren. Die von ihm entdeckte Strahlung hat unzähligen Menschen geholfen. Doch noch immer entwickelt sich die Technik weiter.

Es ist der 8. November 1895, ein Freitag, spät abends. Wilhelm Conrad Röntgen experimentiert mit elektrischen Entladungen in einer nahezu luftleer gepumpten Glasröhre (Kathodenröhre). Sein Laboratorium an der Universität Würzburg ist dabei fast dunkel. Nur die allgemein bekannten und mit bloßem Auge sichtbaren Leuchterscheinungen in der Röhre erhellen den Raum schwach.

Röntgen umhüllt die Röhre mit schwarzem Karton. Und beobachtet, dass sich ein entfernt stehender Leuchtschirm aufhellt, der Energie von Elektronenstrahlen in sichtbares Licht umwandelt. Mehr noch: Als Röntgen seine Hand später – er verbrachte etwa sechs Wochen nahezu Tag und Nacht im Labor – zwischen Röhre und Leuchtschirm hält, sieht Röntgen auf dem Schirm den Schatten seiner Handknochen.

Über die Art der Entdeckung ist nur das bekannt, was Röntgen selbst veröffentlichte. “Es weiß keiner, wie es wirklich passiert ist”, erzählt Roland Weigand vom Röntgen-Kuratorium Würzburg. Denn Röntgen – geboren am 27. März 1845 in Lennep, heute ein Stadtteil Remscheids, gestorben am 10. Februar 1923 in München – habe per Testament verfügt, dass all seine Aufzeichnungen nach seinem Tod verbrannt werden. Der Verein hat die berühmte Wirkungsstätte des Physikers mit Originaleinrichtung und -geräten wieder entstehen lassen – sogar Röntgens Schreibtisch steht noch in seinem alten Labor in den Uniräumen.

 

 

Zunächst forschte er hinter verschlossener Tür

Sicher ist: Irgendeine Strahlung musste in der Röhre entstanden sein, drang durch das Glas, den Karton und die Luft, um schließlich die Moleküle im Leuchtschirm zum Leuchten anzuregen. Die Knochen schatteten die Strahlung ab. Röntgen nannte sie X-Strahlen. Als gewissenhafter Forscher untersuchte er das Phänomen zunächst hinter verschlossener Tür. Aber noch Ende 1895 veröffentlicht er seine Untersuchung in seinem berühmten Artikel “Über eine neue Art von Strahlen”, nachdem er sich seiner Beobachtungen sicher war. Das während dieser frühen Forschung entstandene Foto von den Handknochen seiner Frau Bertha mitsamt Ring wird zu einer Ikone der Wissenschaft.

Weil Kathodenröhren damals in vielen Labors stehen, werden die Ergebnisse international rasch bestätigt. “Es ging wie ein Lauffeuer um die Welt”, sagt der Präsident der Universität Würzburg, Alfred Forchel. Die Skepsis weicht schnell einem “Röntgenfieber” – zu faszinierend ist die neue Möglichkeit, in den Körper und in Gegenstände zu blicken. Ein kurzer Film von 1897 zeigt ein flirtendes Paar, das mithilfe einer Röntgenkamera zu turtelnden Skeletten wird. Später stehen in Schuhläden kleine Röntgenapparate, um zu schauen, ob die Füße tatsächlich gut in die neuen Schuhe passen.

Röntgenstrahlen sind extrem kurzwellige, energiereiche elektromagnetische Strahlen, die viele Materialien – aber nicht alle – durchdringen können. Sie sind für das Auge nicht sichtbar. Auf einem Röntgenbild sind Knochen gut zu erkennen, Weichteile dagegen nicht. In der Technik lassen sich mit ihnen Werkstoffe prüfen, im Labor die Struktur von Kristallen analysieren. Röntgenteleskope im Weltraum enthüllen energiereiche, kosmische Prozesse etwa bei Schwarzen Löchern.

 

Unzähligen Menschen hat das Verfahren geholfen

Die Entdeckung vor 125 Jahren führte zu einem gänzlich neuen Zweig der Medizin, der Radiologie. Unzähligen Menschen hat das Verfahren bisher geholfen. Röntgen erhielt 1901 den ersten Nobelpreis für Physik. Und schon 1905 hieß es beim Kongress der Röntgen-Vereinigung zu Berlin: “In dieser vervollkommneten Weise sind die Röntgenstrahlen, (…), in allen Spezialfächern der Menschenheilkunde, (…) ein unersetzliches und unentbehrliches Hilfsmittel geworden.” Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Aus der medizinischen Diagnostik sind Röntgenstrahlen nicht mehr wegzudenken. Doch sie revolutionierten auch viele andere Bereiche der Forschung. “Die Doppelhelix-Struktur der DNA ist mit Röntgen-Beugung aufgelöst worden”, sagt Ralph Claessen, Leiter des Lehrstuhls für Experimentelle Physik IV an der Uni Würzburg. “Das ist für mich ein Meilenstein der Wissenschaft.” Genforschung und mittlerweile sogar Gentherapie sind erst dadurch möglich geworden, dass der Aufbau des Erbgutträgers DNA (englisch und abgekürzt für Desoxyribonukleinsäure) verstanden ist – die Struktur gleicht einer in sich gedrehten Strickleiter, deren Sprossen jeweils aus zwei Bausteinen bestehen. Aber auch die Pharmaindustrie macht sich die Strahlen zunutze, etwa bei der Entwicklung neuer Medikamente, wie Claessen erklärt. Denn mit hochintensiven Röntgenstrahlen lassen sich auch Viren entschlüsseln.

Indes: Viele der ersten Anwender haben durch die starke Strahlung der Geräte in der Anfangszeit schwere Schäden davongetragen – sie wussten nicht um die Gefahr der Strahlung für Gewebe und Erbsubstanz. Ein Team um Gerrit Kemerink von der Abteilung für Radiologie und Nuklearmedizin des Maastricht University Medical Center schätzt nach seiner historischen Recherche zu den früheren Strahlendosen im Journal Insights into Imaging, dass die Dosis für eine Untersuchung des Beckenknochens seither etwa um das 400-Fache zurückgegangen ist.

 

Die technische Entwicklung ist rasant

Thorsten Bley arbeitet am Universitätsklinikum Würzburg täglich mit Röntgenstrahlen. Der Direktor des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie berichtet von einer rasanten technischen Entwicklung etwa bei der Computertomographie. Anfang der 2000er Jahre sei die Strahlendosis bei Herzuntersuchungen weitaus höher gewesen als heute. “Damals wurden bis zu 20 Millisievert für ein Koronar-CT angewendet”, erzählt er, mittlerweile seien es 0,3 bis 0,5 Millisievert. Zum Vergleich: Durch natürliche Strahlung beträgt die mittlere Strahlenbelastung der Menschen in Deutschland jährlich im Schnitt 2,1 Millisievert.

Heute ist die Aufnahme eines Röntgenbildes meist Routine. Die Fortentwicklung der Technik ist aber nicht abgeschlossen, wie der Präsident der Deutschen Röntgengesellschaft, Gerald Antoch, sagt. Vor 125 Jahren gab es verwaschen aussehende Schwarz-Weiß-Bilder, die von einem oder wenigen Ärzten betrachtet wurden. Heutige Computertomographen nehmen zahlreiche hochaufgelöste 3D-Bilder des Patienten auf.

Die Radiologie setzt bei der Analyse solcher Bilder zunehmend auf digitale Assistenten: Eine KI-Software erkenne in den Bildern kleine Störungen oder Tumore und weise die Radiologen darauf hin. “Der Computer wird den radiologischen Befund ergänzen”, sagt Antoch.

Quelle : Badische-zeitung.de

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